Gestern war mein 2.Geburtstag. Jedenfalls empfinde ich das so. Seit jenem Unfall vor zwei Jahren...

In der kommenden Woche kommt ein Handwerker. Um sich die Baustelle genau zu besehen und mir einen Endpreis zu nennen. Für den Einbau der neuen Haustür und des dazu passenden Oberlicht - Fensters. Frü- her hätte ich das allein durchgezogen, doch diese Zeiten sind vorbei, mit meinen Verletzungen. Die "Tage der offenen Tür(en)" müssen schnellstmöglichst ein Ende finden, also hab' ich (kostenlos) inseriert, in den einschlägigen Portalen: "Auftrag zu vergeben an Handwerker, der kurzfristig Auftrag zum Festpreis ausfüh- ren kann." Die Resonanz war erstaunlich. Im Hinblick auf Antworten. Und vor allem Preise. Das ging bei 400 € los...

Ich hab' dann mal kurz durchgerechnet. Die Anzahl der bisher schon von mir im Haus selbst eingebauten Fenster x 200 €.  Oha! 15 Stück sind es aktuell. Da hätte also allein der Einbau 3000€ gekostet = 6000DM. Geht's noch? Es hilft aber nichts, irgendwie muss ich da jetzt durch! Verhandeln am Telefon ist so gar nicht mein Ding. Aber auch da muss ich durch. Vor jedem Anruf ist mir schlecht und hinterher umso mehr. Das ist der pure Horror für jeden Asperger! Wo wir doch immer gerne zuvor alles durchdenken, bis auf's letzte Fitzelchen... Was aber gar nicht geht, wenn man sich auf unbekanntes Terrain (und in die Hände fremder Menschen) begibt. Dann ist es mit jeglicher Planung Essig...

Noch immer hab' ich's nicht voll und ganz begriffen. Oder akzeptiert. Dass ich Asperger Autistin bin und immer bleiben werde. Und was das ganz genau für mein Leben bedeutet. Nämlich Stress. In Situationen die für mich nicht zuvor kristallklar zu berechnen sind. Sprich: Begegnungen mit Menschen. Fremden. De- nen ich nicht entgehen kann. Mit denen ich zwangsläufig eine Verbindung gehen muss, um irgendein Ziel zu erreichen. Ein umungängliches. Sonst würde ich anders handeln. Aber die Regeln unserer Gesellschaft zwingen mich in Schemata. Es war leichter, als ich davon noch nichts wusste. Warum in meinem Leben so vieles ist, wie es eben ist...

An jenem 24.April 2013 war ich noch harmlosen Gemütes. Eine Pilgerin hatte ein Gelöbnis abgelegt, für den Fall des Falles. Dass ein Wunsch in Erfüllung gehen würde. Was als unmöglich erschien. Wer würde schon glauben, dass man auf Jahre versucht sich von einer als Studentenbude gekauften Wohnung zu be- freien, was stets scheitert, aber nach seinem Versprechen mitten auf der Spraße mit den Worten angespro- chen wird: "Haben Sie vielleicht eine Eigentumswohnung zu verkaufen?" Ich glaubte selbst nicht daran, wehrte ab. "Ganz winzig das Teil, unter dem Dach. Ist bestimmt nicht das, was Sie suchen!" War es aber. Sofortige Besichtigung. Kaufzusage binnen Minuten. Sowas passiert nur im Märchen - und Sagenland. Ich setzte mich total aufgedreht in den Berli und fuhr aus der Nordheide in den Hamburger Süden, lief ziellos durch die Fußgängerzone. Simste an Kids und beste Freundin: "Wohnung verkauft!" Es war unglaublich!

Ich hoffte auch die noch vorhandenen Möbel würden übernommen. Doch das wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein. Also musste alles ausgeräumt und transportiert werden. Meine gewohnte Krankheit für solche Fälle suchte mich heim. Die Medikamente, welche man mir verschrieb, kosteten Geld, aber waren völlig sinnfrei. Nach Tagen unnötiger Quälerei bekam ich was mir immer schon half. Etwas jedenfalls. Es folgte eine Stresswoche. Täglich Emden-Meckelfeld. Mehr als 600 km, mit einem bis auf den letzten Zentimeter vollgepackten 60 PS-Auto. Aller Kram über 3.5 Etagen nach unten geschleppt und im armen Berlingo ver- staut. Wiederum in der Seehafenstadt nächtens ins Haus geschleppt und gestapelt. Horror pur! Als alles überstanden war klappte ich zusammen. Doch das war nun egal, Hauptsache geschafft!

Ich baute vier Wochen später im Haus weiter. Meine umzugstechnisch am letzten Abend verletzte rechte Hand war weitgehend ausgeheilt. Also galt keine Ausrede mehr. Ein Jahr zuvor hatte ich zwei Bandschei- benvorfälle erlitten. Den ersten geleugnet. Klar, ich bin ja die Heldin überhaupt! Es benötigte den zweiten dazu, als ich einen neuen Heizkörper über die Wendeltreppe unter's Dach schleppte, bis ich niedergeworfen wurde.  Manche Menschen brauchen es mehrfach mit dem Zaunpfahl auf den Hinterkopf, bis sie begreifen um was es geht. Mein schlechtes Gewissen wuchs. Ein Gelöbnis ablegen und es nicht erfüllen ist dreist. Ge- radezu unmöglich. Ich versuchte mich herauszureden. "Ich würde wirklich gern, aber Du siehst ja wie schwierig es ist!"

Zeit ging also ins Land. In der ich den Kontakt zu meinen Kindern verlor. Weil ich nun nicht mehr in ihrer Nähe wohnte? Waren sie wütend, weil ich fort war? Hatten sie eigene Probleme? Ich schrieb lange Mails voller Liebe, flehte sie geradezu an mich zu verstehen. Zu sagen, was ich tun könnte, um das scheinbare Missverständnis auszuräumen, welches offenbar zwischen uns stand. Doch eine Antwort erhielt ich nicht. Weinte viele bittere Tränen.

Und entschied, als das Frühjahr 2013 anbrach, mein Versprechen nun zu erfüllen. Flüge zu akzeptablen Preisen fanden sich nicht, jedenfalls nur mit Übernachtungen im Flughafenbereich von Bremen auf dem Rasen im Zelt. Nicht gerade ein Highlight im deutschen April. Ganz abgesehen vom Wachpersonal mit Schutzhunden. Keine ideale Lösung. Ein Hostal gab / gibt es nicht. Und andere Abflugorte? Memmingen wurde mir angezeigt. Zum Dumpingpreis. Wohnte da nicht ein virtueller Freund ganz in der Nähe ? Ich fragte ihn, da wir uns schon lange kennenlernen wollten. Und er sagte zu. 

 

Als ich die Haustür (mit ihrem kaputten Schloss) zuschlug, gab es kein ZURÜCK mehr.

Hätte ich geahnt, was mich in der Sierra Nevada ereilen würde, wäre ich nicht gestartet...