Am Samstag ist der Große gekommen. Hat Wandpaneele und Türen entfernt.

Froh hätte ich sein sollen. Erleichtert. Es war doch ein „Fort – Schritt“!

War es das? Empfand ich es so? Warum dann dieser Schmerz?

Vor ungefähr drei Jahrzehnten kaufte (ersteigerte) ich dieses mein Haus.

An einem kalten Dezembertag 1989 war es, ich erinnere mich genau.

Auch an den Zustand „meiner Ruine“, Baujahr 1565. Einer Bruchbude. Noch.

 

Wir zogen ein. In das einzig bewohnbare Zimmer, mit Fenstern aus 3 Jahrhunderten.

Zerbrochene Scheiben wurden mit Pappe verklebt. Luftmatratzen aufgeblasen.

Die Heizung wurde irgendwie gangbar gemacht. Im Imbiss gegessen.

Wir waren mutlos, ratlos, frustriert. Die Kids und ich.

Eine Küche gab es nicht. Aber einen geschenkten, großen Kühlschrank.

Einen Zweiplattenkocher. Ein paar Eimer als Spülenersatz in der Badewanne.

Es ging. Irgendwie. Besser: Es musste gehen. So fingen wir hier an...

 

Not kam in unser Haus. Leid. Und dann der Tod. Das war das Schlimmste.

Ich verdiente Geld für Holzbretter. Elektrogeräte. Baute Stück für Stück eine Küche.

Zimmer wurden von mir ausgebaut, Leitungen verlegt, Wände verfliest,

Waschbecken eingebaut, Tepichböden verlegt, Lampen montiert, Tapeten geklebt.

Aus nackten Steinen wurde ein Haus. Irgendwie auch eine Trutzburg.

 

Irgendwann gingen wir nacheinander fort. In die Welt hinaus. Wie es so ist.

Das Haus ließ sich nicht verkaufen. Ich arbeitete in der Ferne wie besessen.

Die Schlüssel verbuddelte ich tief. Die Erinnerungen auch. Versuchte zu vergessen.

Auf meinem ersten Camino aber, da schlief ich in einem Haus wie meinen.

Die Erinnerungen kehrten zurück. Leugnen war zwecklos geworden.

Meine Tochter fuhr mit mir her – ein starkes Schutzschild!

Wir fanden ein zugewachsenes Dornröschen-Haus vor, das offenbar auf mich wartete.

So kehrte ich Schritt für Schritt zurück. Wohlwissend, dass es nicht für immer sein würde...

 

Nun ist es soweit. Ein Zwischenlager gefunden. Der Mut zum Bruch ist da.

Die Zeit für Immobilienverkäufe ist günstig, der Markt boomt. Alles wird gekauft.

Warum zögere ich dann? Weil all' mein Kapital in diesem Objekt steckt.

Ich den bestmöglichen Preis erzielen will (muss). Anderes habe ich nicht mehr.

Was noch umzubauen ist steht fest. Zwei letzte Fenster sind alt. Manche Leitungen.

 

Meine selbstgebaute Ytongküche war damals modern. Heute ist sie es nicht mehr.

Eine Einbauküche habe ich gebraucht gekauft. Es gilt sie abzubauen, zu transportieren.

Meine Selbstbauten werden entfernt. Was mir weh tut, mich traurig macht.

Es sind Abschiede. Kleine und große. Was war, das ist nicht mehr. Wird nie mehr sein.

Die Kids sind fort. Jedes in seine Welt. Wo ist meine? Ich kann es nicht sagen...

Nur, dass ich loslassen muss steht fest!!

 

Das ist wie beim Besteigen einer Leiter.

Auf der vierten Stufe meint man vielleicht, es ginge nicht weiter,

also hält man sich da fest.

Aber es gibt eine fünfte Sprosse, und wenn man auf die möchte,

muss man bereit sein, sich von der vierten zu lösen.

Von Ideen und Ansichten lässt man am besten ständig wieder ab,

damit Raum für bessere Ideen und mehr der Wahrheit entsprechende Ansichten entsteht.

Deshalb sollten wir uns ständig fragen: „Bin ich mir sicher?“

 

aus: Thich Nhat Hanh,   „The Art of Power“