Bevor ich sterbe, da möchte ich leben.

Sagt nicht, dass es selbstverständlich sei.

Schaut euch um und stellt fest,

dass viele Menschen nur existieren.

Von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr, von der Geburt bis zum Tod.


Lange Jahre über war ich im Bereich der Hospizpflege tätig.

Jung. Zu jung? Ich verstand es nicht. Oder wollte es nicht verstehen.

Wenn die Todgeweihten mir immer wieder sagten:

"Das Leben ist kurz, viel kürzer als wir dachten.

Wir haben das nicht gewusst, aber Sie erleben es ja an jedem Tag!"


Habe ich daraus gelernt?

Ja was denn? An jedem Tag so zu leben, als sei es der letzte?

Das können wir Menschen nicht, es würde uns umbringen.

Der Tod ist unausweichlich, aber sollte man nicht zuvor leben?

Man kann doch nicht nur auf das Ende schauen, Tag für Tag.

Wir würden uns betrügen. Um das Glück, die Wärme, das Lachen.

Sonst wären wir schon tot, bevor es zum Abschied kommt.


Was suchst du noch, mit 60plus, hat sich bestimmt mancher gefragt,

der von meinen Plänen gelesen hat.

Ein neues (altes) Zuhause, eine total fremde Gegend?

Noch einmal ein historisches Haus ausbauen, Möbel schleppen?

Von vorn anfangen, als gäbe es noch genügend Zeit?

Ja! Vielleicht bleiben mir noch zwei Jahrzehnte. Kann sein, dass nicht!


Wir wissen es nicht. Und ich will nicht auf den Tod warten.

Die Welt ist voller Leben und Abenteuer. Wenn man sich nur traut...


Das große Haus, mit der Besichtigung am Anreisetag, das war es nicht.

Es folgten Spaziergänge an der Weser, durch den Ort.

Heute war ich am Schloss Hämelschenburg und in Bad Pyrmont.

Es regnete. Aber es war warm und bunt und voller Leben.


Jetzt, gegen Mitternacht, spiegeln sich viele Lichter im nahen Fluss.

Blicke ich auf Fachwerkhäuser, deren Fenster erleuchtet sind.

Schaue ich immer wieder auf diese Welt, kann mich nicht sattsehen an ihr.


Es muss nun zu Ende sein mit dem Stillstand meines Lebens.

Ich habe in einem Maulwurfsgang festgesteckt. Lange. Zu lange.

Aber ich will und muss leben. Noch. Neu. Wieder.


Morgen sehe ich das kleine Haus von innen, in das ich mich verliebt habe.

Von außen kenne ich es nun schon gut. Von vorn und hinten.

Wo sich zu meiner großen Freude ein Hof voller Blumen fand.

Ein Anbau mit großem Sprossenfenster, eine Backstein-Werkstatt.

Alles so wunderbar verwunschen und begrünt.

Es ist sicher kein Haus für jeden. Aber vielleicht wartet es auf mich...


Ab 14.30 Uhr läuft mein Besichtigungstermin.

Mag mir jemand die Daumen drücken? Das wäre sehr lieb!


Wie sitze ich am morgigen Abend hier? Traurig? Erfreut?

Bald werde ich es wissen...








Noch einmal sprechen vom Glück der Hoffnung auf Glück,

damit doch einige fragen: 

Was war das, wann kommt es wieder? 


Erich Fried