Zu manchen Zeiten scheint das Leben stillzustehen, sind alle Wege versperrrt, gelingt offenbar nichts. Vor allem dann, wenn dies von fremden Menschen abhängig ist. Als Kind hat man mir oft gesagt: "Verlass' Dich auf Andere und Du bist verlassen!" Das war auch so. Wenn ich es auf meine Eltern und meine Schwester beziehe. Von ihrer Seite habe ich nie Liebe empfunden. Sie haben mich jeder auf seine spezielle Art und Weise allein gelassen.

Diese Einsamkeit ist das Schlimmste, was einem autistischen Kind geschehen kann. Denn ihm werden keine Brücken zur Umwelt gebaut. Es erlernt keine Sprache, die Türen öffnen könnte. Ist Gefühlen übereignet, die es nicht einzuordnen vermag in "richtig" oder "falsch". So bleibt ihm nur, sich eine eigene Welt zu erschaffen. Und nach etwas zu suchen, dass Brücken bauen, Türen öffnen und Gefühle in Bahnen zu lenken vermag.

Diesen Schutz habe ich immer gehabt. Offenbar schon vor meiner Geburt. Sonst gäbe es mich gar nicht. Und er hat mich niemals verlassen. Darum weiß ich, dass es die Liebe gibt. Dass ich sie spüren und weitergeben kann. Vielleicht wäre ich sonst nicht so empathisch, wie ich es bin. Wäre längst gescheitert an einer Welt, die oft kalt, materialistisch, roh und intolerant ist. Deren Werte so ganz andere sind, als meine.

Trotzdem ist es manchmal schwer, darauf zu vertrauen, dass der Weg den ich gehe der richtige ist. Dass alles was geschieht, eben genau so sich ereignen muss, um am Ende zu sagen: Nun ist es gut. Jetzt bin ich angekommen. Wo auch immer das sein wird. Ich bin zu Hause. Vielleicht nur für einen Tag, oder eine Nacht. Vielleicht aber auch für den Rest meines Lebens.

Hoffentlich erkenne ich alle Zeichen. Interpretiere sie richtig. Weil das uns Menschen oft nicht leicht fällt. Wir blind sind für das, was wir doch sehen sollten. Welches ist das "richtige" Haus für mich? Wohin lohnt es sich zu fahren zu einer Besichtigung? Es ist so mühsam, raubt ganze Ta- ge und kostet Geld, von dem ich lieber Nahrung kaufen würde. Jedesmal wieder eine Entschei- dung. Mit der Bitte, mir ein Zeichen zu geben. Dass ich verstehen kann.

Mit dem letzten Objekt passte vieles. Ich wäre Hamburg nahe gewesen, das Grundstück war klein, Apotheke, Arzt, Bücherei und Bahnanschluss waren gegeben. Mein Sohn wäre ab HH mit- gefahren. Wir hätten uns gesehen, nach langer Zeit. Und gesprochen. Ich hätte Antworten be- kommen. Auf brennende Fragen. Warum? Doch der Anruf des Maklers am Vorabend kommt nicht, obwohl fest zugesagt. Alles liegt bereit, ist gerichtet. Ein Rucksack voll. Am Ende habe ich bis Mitternacht gewartet. Vergeblich. Sage meinem Sohn schmerzvoll ab, dessen Zeit knapp be- messen ist, bevor...

Es gab nur diese eine Chance und keine weitere. Das Signal war deutlich. Aber auch jenes, dass ich in einer liebevollen Mail bekam. Und kommt es nicht nur darauf an? Die Liebe? Trotzdem hat es mich getroffen. Weil ich darauf so fixiert war, in Vorfreude. Wieder einmal gedanklich umge- baut hatte, hoffte, dass es endlich voranginge. Ich aufbrechen würde. Mein Sohn mein neues Zuhause noch sehen könnte. Es wird ein tieferer Sinn darin liegen, dass es nun nicht so sein wird. Und ich vertraue. Auch wenn ich traurig bin.

 

Glaube ist nicht immer leicht zu leben. Aber ohne ihn lebte ich gar nicht.

Er ist mein Schutz u. Halt, mein Rettungsseil und doppelter Boden. Darauf baue ich.