Manchmal in unserem Leben kommen wir an einen bestimmten Punkt.

Jenen, an dem man alles hinter sich lassen möchte.

Einfach weggehen, ohne sich umzuschauen.

Den Verstand ausschalten und der Sehnsucht auf Leben Raum geben möchte.

Aber er ist hartnäckig. Weil er um die Risiken weiß. 

Und doch...


Hinter mir liegen unschöne Wochen, vorsichtig ausgedrückt.

Abenteuer?

Nun, eine Treppe herabgefallen, linke Schulter hin.

Arm auf dieser Seite ohnehin, seit erster Covid-Booster-Impfung.

Nun der rechte nach Booster 2.

Tagelang geschlafen, da regelrecht krank - nur: auf welcher Seite?


Das uralte Haus in Emden hat seine letzten drei neuen Fenster bekommen.

Zwei riesig große waren es schon zuvor in diesem Jahr.

Man bricht dafür etwas heraus und stößt auf die Vergangenheit. 

Alte Tapeten aus besseren Zeiten (rosa gestreift!) z.B.

Räumt etwas beiseite und hält Erinnerungen in den Händen.


Zudem zeigt sich schonungslos, was noch alles getan und investiert werden müsste.

Kann ich das? Will ich das überhaupt?

In einem belastenden Moment (Fotos von Sohn und Schwiegerkind im Regal)

bricht in mir jegliches Schutzschild weg und ich sehe die ganze (harte) Realität.


An Mauern kann man sich schlecht festhalten,

an einem nichts verstehenden Mann noch weniger.

Endlich platzt vieles unter Tränen aus mir heraus.

Diese ganze Sinnlosigkeit. Leere. Stille. Wortlosigkeit.

Ich ertrage es nicht länger, ich kann einfach so nicht mehr weiterleben!!


Wortlos wird Werkzeug zusammengeräumt, Material zum Auto gebracht.

Welcher Stein können manche Menschen sein?

Es ist für mich die endgültige Erkenntnis, wie die Wahrheit aussieht.

Brutal. Kalt. Einsam. Leer.


Tage brauche ich um aus dem tiefen Loch zu kriechen.

Mache zudem den Fehler im Web nach meinen Kids zu forschen.

Und finde neue Bilder, darunter eines, das ich lieber nicht gesehen hätte.

Nun ist es in mein Herz eingebrannt und wird nie mehr daraus verschwinden.

Ich möchte helfen und kann es nicht.


Nicht einmal mir selbst. Ich bin nichts, werde nichts, war nie etwas.

Meine ganze Familiengeschichte ersteht auf.

Da sind die ganzen Ursachen. Was gestern war, das trage ich heute als Erbin.

Auch in mir kämpfte stets ein Krieg, den man mir auf die Schulter gelegt hatte.

Aber ich war nicht die Ursache, ich war die Folge und schleppe die Lasten.


In Bücher flüchte ich mich abends wieder, wie schon als Kind.

Sehe eine Folge der Lebenslinien auf BR, die mir endgültig die Augen öffnet.

So viele Ähnlichkeiten... Ich weine erneut, weil ich verstehe. Endlich.

Nun lese ich nicht mehr. Mache mich nächtens im Bett auf, die Welt zu erkunden.

Wie früher. Damals, als ein Bär mein einziger Freund war.

Nun ist er groß und lebendig, sitzt mit mir am Kaminfeuer im Wald.

"Sag' mir mein Freund: Was soll ich tun?"

Die Flammen spiegeln sich in seinen Augen. "Geh'," sagt er. "Geh!"


Aber wohin? Ich habe kein Zuhause mehr und wo sollte ich eines finden?

So ewig lange suche ich schon und am Ende war es dann doch nichts.

Nun hätte ich wieder ein Haus im Kopf.

Wenn es nicht so weit fort wär' (bei dir im Ländle, liebe Ingrid).

Gern würd' ich's mir anschauen, aber sechs Stunden mit der Bahn sind nicht ohne.

Nahverkehrszüge, mehrfach umsteigen. Und überall ist es kalt.

Ich schaff' so etwas einfach nicht mehr. 

Könnte ich meinen Wanderrucksack überhaupt noch tragen?


Irgendwie wünsche ich mir einen Gedankenhinweis.

Jemanden, der sagt: "Los. mach' es!" Etwas, das mir Mut macht. 

Gerade habe ich mir das gewünscht, da fällt was vom Tisch mit lautem Knall.

Auch das noch! Gottseidank erweist es sich als kleines Ringbuch.

Vorgestern hatte ich darin die Fragen zum Haus notiert. 

Die ich der Spaka in BL stellen wollte. Was ich mich dann nicht traute.


Nun aber liegt der Ordner neben mir. Morgen rufe ich an!

Was einem regelrecht vor die Füße fällt, das schreit danach.

Viel Hoffnung habe ich nicht.

Aber wer nicht kämpft, der hat schon verloren, das weiß ich nur zu gut...




Keep some room in your heart for the unimaginabel.

Bewahre etwas Raum in deinem Herzen für das Unvorstellbare.


-Mary Oliver -