Arg kalt ist es geworden. Nur um ein paar Grade mehr, aber es sind eben jene, die an meiner Kraft nagen etwas zu bewegen. Am Mut, morgens aufzustehen. Dem Willen, diese Zeit zu überstehen, die noch ein paar Monate lang andauern wird...

Schreiben ist mir fern. Was mir über mehr als sieben Jahre lang Leben einhauchte, das beflügelt mich nicht mehr. Lange hat es gedauert zu begreifen, dass die Welt da draußen nicht so ist, wie ich es mir im Innersten immer wieder gewünscht habe. Doch nun habe ich es (endlich?) realisiert. Frage mich, was es ändert, wenn ich die Tasten meines Keyboards drückte?! Vermutlich nichts. Denen, die es verstehen, muss man nichts erklären. Denen, die nichts verstehen, kann man es nicht erklären. Das habe ich von meinen Jakobswegen mitgebracht. Und wohl nie besser verstanden, als in den letzten Monaten...

Am Dienstag durchbricht nach trüben Tagen ein Sonnenstrahl die Nebelwände. Heute soll es also sein! Tap- fer setze ich mich mit dem bei ebay erworbenen Außenspiegel in den armen, alten Berlingo. Hatte man ihm doch vor vielen Monaten den Seitenspiegel mit roher Gewalt abgebrochen und ich lange gespart, um einen neuen zu kaufen. In der Zwischenzeit flickte ich mit ein paar Schrauben, Klebe- und später viel Tartanband. Für ein paar Hausbesichtigungen im Frühjahr. Das Provisorium hielt lange...

 

 

Nun ergab mein sorgender Blick eines Tages, dass man selbst das als Reiz ansah, nochmal richtig hinzulan- gen. "Spiegel abtreten, nennt man das", sagt ein Nachbar. Warum? Um pure Aggression abzulassen? Aus Frust? Neid? Man muss mich nicht beneiden. Ich bin arm. Mein Auto ist fast achtzehn Jahre alt. Hat ge- schleppt ohne Ende. Ist nie verwöhnt und umsorgt worden. Was ein wenig meinem eigenen Leben ähnelt...

Die Fortsetzungsgeschichte an der ich schreibe, berichtet aus einer anderen Zeit. Auch wenn sie gar nicht so weit zurück liegt.. Aber der Berli war erst ein paar Jahre alt und ich voller Mut und Energie. Nun aber zwin- ge ich mich nach draußen. Ein Anruf bei der Fachwerkstatt hatte einen utopischen Reparaturpreis von 240 € genannt! Völlig ausserhalb meiner Möglichkeiten. Also Onlineplattform. Und für rund 27 € wechselte das Ersatzteil den Besitzer...

Wird wie aus- bzw. eingebaut? Google hilft. Ich lese stundenlang. Schaue Fotos an. Frage im Berlingo - Old- timerforum nach. Das gibt es tatsächlich. Was mir bisher alles entgangen ist?! Das Grundwerkzeug reicht nicht, es braucht sternförmige Bits, was wohl absichtlich so eingerichtet ist. Der Autobesitzer soll schließ- lich in die Werkstatt kommen und nicht basteln! Ich habe solche Teile aber. Bloß wo? Kramen in der Werk- statt. Wann braucht man solches Zeug mal? Alle Jubeljahre. Oder noch seltener. Wie finden? Wäre es zu viel verlangt, wenn man mich eventuell quasi mit der Nase darauf...?? Passiert!

Runter. Passt. Alles was geht wird abmontiert. Aber dann hakt es. Verflixt noch mal, die Innenverkleidung habe ich runter, außen abgetrennt, was beweglich war. Und nun? Plötzlich steht ein Typ im Arbeitsanzug neben dem Wagen, lässig mit Zigarette im Mundwinkel. Der fehlt mir gerade noch! "Mein Kunde schräg ge- genüber ist noch nicht da, also hab' ich mir gesagt, ich guck' mal, warum die Frau nach fünfzehn Minuten mit dem Austausch immer noch nicht fertig ist, obwohl ich das bei mir binnen zehn Minuten geschafft habe?!"

Schon mal erwürgt worden? Er labert weiter. "Ihr Mann hat wohl zwei linke Hände?" Nein. Beides. Weder Hände, noch Mann. Immerhin kommt er auf eine Idee. Danach klappt es. Mein heißgeliebter Nachbar er- scheint auch noch, die Finger tief in den Seitentaschen seiner Hose verbunkert, aber ebenfalls mit Suchtmit- tel im Mundwinkel. "Na, willst wohl deine alte Karre aufmotzen?" Die Antwort erspare ich mir.... Der Spiegel sitzt. Lässt sich verstellen, wie es sein soll. Braver silberner Elefant. Brave Besitzerin.

Glücklich male ich ein breit lächelndes Smiley in meinen Kalender, wer hinter dem "Zufall" steht ist mir klar. Daran glaube ich ganz fest. Und bin dankbar! Die beiden Folgetage zeigen ein weinendes Smiley. Als müsse bei mir auf Freude zwangsläufig Schmerz folgen. Migräne. Mit allen Begleiterscheinungen. Doch ich nehme sie anders an, als sonst. Offensichtlich muss es sie in meinem Leben geben. Diese extremen Höhen und Tiefen. Den Sieg und die Niederlagen. Das Glück und den tiefen Absturz...

 

In (halb)wachen Momenten schreibe ich gedanklich an meiner Lebensgeschichte weiter.

Öffne Türen, die ich lange Zeit entschieden verschlossen hielt. Begreife mehr und mehr:

Es ist heute, wie es ist. Weil es einmal war, wie es war!

Wenn ich nicht in dieser Firma... jenem Café in der Reha... Jahre später in dieser Herberge...

 

 

 

Eines Morgens

öffne ich

das Fenster,

und befreit

und betört,

fast ungläubig

atmet

meine Lunge

den Duft der

kommenden Monate...

(Theodor Heinz Köhler)

 

 

Ja, würde sich denn das Leben auch lohnen, wenn  es anders wäre??