Der erste Urlaub. Peter hat ihn geplant, vorbereitet, das Geld dafür erarbeitet, gespart. Mit dem Womo soll es an die Ostsee gehen, dennn wir lieben beide das Meer. Und dann ist da noch der Eltern-Besuch. Vorstel-lungsrunde. Der neuen Frau im Leben des Sohnes.

War es das, oder was am Ende...? Ich weiß es nicht zu sagen. Jedenfalls liegt / lag alle Verantwortung bei mir. Zunichte zu machen, was so liebevoll vorbereitet war. Wieviel Arbeit steckt dahinter, ein soches Gefährt urlaubsreif zu machen. Geahnt hatte ich das wohl immer schon. Und deshalb diese Teile gehasst. Nun aber ist eines da. Und allein die Reinigungsorgie der ganzen Schränke, der Küche, des Bades.... die Wasserauf- füllerei, der ganze Chemiekram, und, und, und...

Nicht etwa, dass ich davon irgendetwas gemacht hätte. Mein Anteil bestand aus reinen Prinzessinnenwün- schen. Die Dachzuluke ist zu hell, in meinem Schrank sind keine Regalböden, ich will nicht quer, sondern längs im Wohnmobil liegen. Und ein paar Kleinigkeiten mehr. Alle prompt erledigt und abgefragt, ob so ge- nehm, oder doch anders. Während mein Held kocht, spült, einkauft und mir das Haus ausbaut. Ich darf mal gerade mit ihm die neu zu kaufende Kleidung auszusuchen. Denn der Mann an meiner Seite möchte mir gefallen und sich optisch anpassen. Da er weniger isst, als ein einjähriges Kind zu sich nimmt, sind 22 kg an Lebendgewicht im Nirwana verschwunden. Die viele Arbeit, unser tägliches Laufpensum und sonstige Bewegungsaktivitäten zeigten rasch Wirkung.

Mir blieb nur meine eigenen Sachen zu packen und im Schrank zu verstauen. Das neue Geschirr einzuräu- men (rosa-pink, wie auch sonst).

Bei 85 km pro Stunde kann man sich gut vorstellen, wie lange die Fahrt nach Laboe gedauert hat und, dass sie keineswegs erholsam war. Für den Fahrer. Der mal ganz nebenbei einen Festjob und seine kleine Fens- ter-Türenfirma hat. Ein Stau auf der Strecke war auch super. Aber kein Wort der Klage. Es wird gepfiffen, gesungen, gestrahlt. Welch' große Vorfreude auf zwei entspannte Wochen an der See und im Müritzer Nati- onalpark. Haaaaach...

Um es kurz zu machen: Unser Urlaub dauerte keine drei Stunden lang an. Wir standen auf einem Parkplatz mit Blick auf Autos. Und Autos. Und... na, Ihr wisst schon. Nebenan Kinder, ein Hund. Und natürlich viele Leute. Logisch. Hier in meiner für mich abgeschlossenen Welt ist es still. Nichts da, was mich verunsichert. Das war da anders. Nichts speziell, einfach alles zusammen. Ergebnis: ein einsam draußen sitzender Mann, der fast nichts herunterbringt zum Abendessen. Ich eingerollt in einer Decke im Womo, fest entschlossen, diese Blechburg freiwillig nicht zu verlassen. Auf die traurige Frage wo ich denn lieber sein möchte antwor- te ich wahrheitsgemäß: "Zu Hause!"

Warum mein Held für mich ein wahrer Held ist, ersieht man schon allein daraus, was aus meinen zwei Wor- ten entstanden ist. Er packte nämlich alles wieder ein, setzte sich ans Steuer und fuhr bis nach Mitternacht mit eiserner Energie den Weg zurück, der zuvor bewältigt worden war. Dieses Mal allerdings mit ganz ande- rem Gesichtsausdruck. Ab und zu die Brille abnehmend, da sie beschlagen war. Ist die Stimmung schon da- neben, kann man leicht noch ein paar Tüpfelchen draufsetzen. Also hab' ich gesagt, dass er seine sämtli- chen Sachen packen soll sobald wir daheim sind und aus meinem Leben verschwinden. Na prima! Ich habe damit gerechnet, dass er rechts ran fährt und mir die Tür öffnet. Hätte ich vermutlich mit einem Typen um- gekehrt gemacht, der mich dergestalt behandelt hätte...

Weit nach Mitternacht waren wir zurück, insgesamt elf Stunden hatten wir auf Autobahnen verbracht und der traurige Rest war nicht besser. Der Mann an meiner Seite konnte vor Müdigkeit kaum noch stehen. Un- ter diesen Umständen fand selbst ich es nicht angemessen ihn durchs Haus zu jagen, um seine unzähligen mitgebrachten Werkzeuge einzusammeln und nach draußen zu schleppen. Er war heilfroh. Zugleich tief- traurig. Sich keiner Schuld bewusst. Und natürlich hatte er auch überhaupt keine!!!

Am nächsten Tag hat er stumm den Hof ausgemessen. Dann sind wir losgefahren zu verschiedenen Bau- märkten. Vom für den Urlaub gedachten Geld wurde Holz gekauft, Balkenständer kamen dazu, Pakete von Schrauben usw. Toll, die Frau auch noch zu belohnen, die einem so übel mitgespielt hat... Seitdem bauen wir und haben gestern mit dem ersten Palettensofa für draußen angefangen. Ich mach' den Plan und Peter baut. Seine Prinzessin soll sich freuen!

"Bist Du glücklich (mit mir)?" so fragt er mich immer wieder. Die Antwort fällt mir schwer. Nicht seinetwe- gen, sondern wegen des Asperger Autismus. Es fehlt mir sehr oft, allein zu sein. Das brauche ich einfach. Um aufzutanken, den Kopf frei zu bekommen. Bald wird es wieder so sein, wenn die wenigen Urlaubstage vorbei sind und Festjob wie auch Selbständigkeit wieder viele zeitliche Verpflichtungen bringen. Im Moment ist es halt anders. Ich nutze gerade ein Zeitfenster von vielleicht einer halben Stunde, die ich mal für mich habe. Und Peter umgekehrt auch. Mehr oder weniger. Da er das Wohnmobil holt (für zwei Tage Harlesiel, die ich wohl hinbekommen werde ohne Gezeter und Gezicke) ab morgen.

Dazu sucht er nach Balken, seiner Kappsäge, Schrauben etc. (daheim kann er nicht mehr viel von seinen Sachen haben). Er hat mit Internet nichts am Hut und seine Freunde sind verstorben. Was es mir bedeutet kann er daher nur schwer mitfühlen. Und ich möchte ihn nicht mit der Arbeit allein lassen, um am Rechner zu sitzen. Es ist halt schwierig. Wir müssen uns Zeit geben. Uns verstehen lernen. Am Freitagabend haben wir zum ersten Mal auf "unserer" Terrasse gesessen, hatten eine Feuerschale entzündet und haben Rotwein getrunken. Unseren ersten Monat Gemeinsamkeit / Beziehung (?) haben wir gefeiert. Werden vielleicht mit der Zeit Jahre daraus? Einem solchen Mann werde ich nie mehr begegnen. Aber das kann und darf kein Argument sein. Der Held hat ein Recht darauf geliebt zu werden. Für all' das was er ist. Ein ganz besonders liebenswerter und liebevoller Mensch.

 

"Eine schöne Frau und ich daneben," so sagt er oft. Das zeigt mir seine Befürchtung.

Ich bin froh, dass er mir EINE Frage noch nie gestellt hat. Er kennt wohl die Antwort.

Es tut mir leid. Das es ist, wie es eben ist. Ich bin vielfach in seiner Schuld...

 

 

Hoffentlich kann er mir eines Tages vergeben. Und bereut die Zeit mit mir nicht bitter...