Das Leben geht weiter, während man über die Vergangenheit nachdenkt.

An vielen Tagen halte ich mich in Emden im Haus auf, um dort zu arbeiten.

Die Küche soll unbedingt bis zum Herbst noch fertig werden.

Ab Oktober trocknen keine Farben mehr. Dann ist es wieder zu kalt.

Seltsam, dies zu schreiben, an einem noch immer heißen Sommerabend.

Aber mir ist klar, wie rasch die Monate vergehen werden, die Wochen und Tage.

So schnell, wie ein Leben dahinfliegt. Es ist nur ein Hauch in der Zeit.


Von den Menschen, die einmal meine Familie waren, ist niemand mehr am Leben.

 Auch die Freunde meiner Erwachsenenjahre sind fort, vor mir gegangen.

Ich bin manchmal müde. Wie eine hundertjährige Schildkröte.

Zu viel gesehen, zu wenig gelebt. Aber warum es so ist, verstehe ich mehr und mehr.

Sie sind immer noch in mir. Die Großeltern. Meine Mutter. Die Schwester.

Und meine beiden Väter, der soziale und der biologische.

Sie sind ein Teil von mir. Unauslöschlich. Und ich versuche das Gute zu sehen.

Positives, das sie mir mitgegeben haben. Oder es zumindest wollten.


Geben wir nicht alle in unserem Leben unser Bestes?

Um irgendwann vielleicht zu begreifen, dass es nicht gereicht hat.

Wir aber nichts, oder nur wenig noch tun können, weil die Zeit knapp wird.

Vor ein paar Tagen war ich am Meer. Nur für Minuten. Aber glückliche.

Die Sonne schien mir heiß ins Gesicht, der Wind fuhr mir durch die Haare.

Es war mir fast, als sei ich wieder das zehnjährige Kind,

das (zum ersten Mal einen Strand sehend) jauchzend losrannte ins Wasser.

Jetzt tue ich es nicht mehr, nehme aber eine Möwenfeder mit zur Erinnerung.

Die Niederlande habe ich schon immer geliebt. Nun war ich wenigstens kurz dort. 


Könnte ich es mir aussuchen: Ich würde mich ins Auto setzen, wegfahren.

Immer am Meer entlang. Niederländische "Bitterballen" essen.

Abends mit einem Glas Rotwein (oder auch zweien) am Wasser sitzen.

Den Sand unter den Beinen spüren, das Salz auf der Haut. Die sinkende Sonne.

Das Leben ist so kurz. In diesen Tagen habe ich viel darüber nachgedacht.

Wenn ich von meinen Ahnen schrieb, sie wieder lebendig wurden in meinem Kopf.

Schwere Lasten haben sie mir mitgegeben auf meinen Lebensweg.

Nicht immer vermochte ich sie zu tragen. Nur zu rasten, ab und zu.

Um immer besser zu verstehen, warum es ist, wie es ist. Ich bin, wie ich bin.



"Leid ist vererbbar."

Leonardo Tello, Amazonas-Indio, Peru






Mittwoch, 17.August, 2022


Meine Familiengeschichte setze ich bald fort. 

Ich muss nur ein wenig Kraft schöpfen dafür...