Das heutige Datum zeigt den 19.05.2024 an.


In ein paar Tagen habe ich Geburtstag und es graut mir vor ihm.

Nicht vor der neuen Lebensjahr-Zahl, sondern vor dem Tag an sich.

Zu schwer und schmerzlich ist die Erinnerung. An 2015.

Wo sind die neun Jahre dazwischen geblieben?

Warum habe ich sie nicht gelebt, nur ertragen?

Wie lernt man zu verzeihen, oder besser noch: zu vergessen?

So oft denke ich darüber nach, aber finde nie eine tröstliche Antwort...


Wenn fremde Menschen uns verletzen, so können wir sie ignorieren.

Aber wird man vom eigenen Kind bedroht, dann ist das nicht möglich.

Zumal, wenn der Rosenkrieg am Ende die Familie explodieren lässt.

Wenn nur Trümmerstücke übrig bleiben, von Liebe und Vertrauen.

Eltern sollten immer verzeihen und die Klügeren sein, so sagt man.

Aber wenn man ihnen das Herz und die Flügel gebrochen hat, was dann?


Neun Jahre meines Lebens lang habe ich existiert, mehr nicht.

Nur selten mal gelacht und mich selbst dann darüber erschreckt.

Als dürfte ich das nicht, gäbe es kein Recht darauf, im Angesicht all' der Trümmer.

Aber wem gab man das Recht mir alles zu zerstören?


Schon vor meiner Geburt sollte ich nicht leben. Aber ich überstand es.

Am Morgen eines Pfingstmontags kam ich zur Welt.

Mein Vater war in der Frühschicht und kam danach zum Krankenhaus.

"Das Kind ist gesund und ein hübsches kleines Mädchen!"

Er ging nach Hause, ohne mich anzusehen.

Denn aus erster Ehe hatte er schon drei Töchter, dazu meine Halbschwester.

Dabei wollte er immer nur Söhne...


So hat es für mich angefangen und vieles ging so weiter.

Trennungskind. Verschickkind. Waisenhaus.


Mein Traum war immer eine "heile" Familie.

Vater, Mutter und Kinder.

Aber so wurde es nicht. Weil das Leben auf seiner eigenen Klaviatur spielt.

Da waren Verluste. Unnormale Todesfälle. Ich stand an Särgen. 


Aber meine beiden "Großen" blieben mir. Das war mir das Wichtigste.

Nie hätte ich mir vorstellen können, dass sich daran etwas ändern könnte.

Doch so kam es. Nur Fragmente blieben von einem engen Familienverbund.

Niemand kann sie zusammenflicken, verkleben, zukleistern.

Fast ein Jahrzehnt ist nun vergangen, verloren. Wie gestohlen.


Was nun? Kann man verzeihen? Kann ich es?

Was braucht es dafür? Ein paar neue Fotos, Berichte, Pläne?

Wird dann alles "wieder gut"?

So einfach. Einfach so?

Ich kämpfe mit mir. Ringe mit Verstand und Gefühl.

Nur ich? Oder die anderen Betroffenen auch?

Kann man Schmerz, Verlust und Verletzungen ungeschehen machen?


Noch finde ich keine Antwort darauf.

Aber wir sind eine Familie und das werden wir immer bleiben.






Lyrics: "Familie" 

(Band: "TOCHTER")


Wie geht Liebe, nach so viel Rosenkrieg?

Wie geht Hoffnung, dass es sie wirklich gibt?

Wie geht ein "Ja" nach so viel "Nein"?

Wie geht ankommen, nach verloren sein?

Wie kann man lernen zu vertrauen?


Nicht so leicht, darauf zu bauen.

Mit all' dem Ballast, den du seit Kindheit trägst.  

Und ich weiß, wovon du sprichst,

wenn du dir nichts mehr versprichst.

Nur im Alleinsein dich noch sicher wähnst.


Doch ich hab vor zu bleiben,

so schnell wirst du mich nicht los!

Ich weiß, es fällt dir schwer zu glauben,

wie erkläre ich das bloß?!


Von den besten Seiten hast du ganz schön viele,

für mich bist du Familie. 

Für mich, für mich bist du Familie. 


Wie geht Vertrauen, wenn ich dich enttäusche?

Wenn ich Dinge sagen, die ich so gar nicht mein'? 

Wie geht verzeihen, wenn ich Scheiße baue?

Ich hab' nie behauptet, 'ne Heilige zu sein. 


Doch ich hab vor zu bleiben,

so schnell wirst du mich nicht los!

Mit dir bin ich nicht ganz so feige, 

bist immer da, bedingungslos!


So nah, trotz aller Unterschiede. 

Für mich bist du Familie. 

Für mich, für mich bist du Familie. 


Ich will, dass du weißt: du und ich, das bleibt!