Silvester 31.12.23 / Jahreswechsel auf 2024

Es war ein stiller Tag. Wie so viele. Fast alle.
Ich mag heute wieder nichts essen, nichts trinken.
Schmerzen haben mich im Griff, sie sind die Herrscher.

Der Fernseher läuft, plärrt sein Programm herunter.
Um Mitternacht eine Umarmung. Standard.
Liebevoll würde ich mir anders vorstellen.
"Ich wünsche mir für das neue Jahr,
dass wir an Silvester 2024 hier nicht mehr stehen!"
Das sage ich leise, aber bestimmt.
Eine Antwort bekomme ich nicht.

Auf der kleinen Dorf-Sackgasse ist nichts los.
Zu viele Menschen sind nun allein in ihrem Haus.
Der Tod hat reichliche Ernte gehalten im letzten Jahr.
Und immer unerwartet.

Da ist Hinni. Ambulante Herz-Untersuchung im Klinikum.
Alles ist bestens, kein Grund zur Sorge!
Das ältere Ehepaar fährt mit dem Fahrstuhl nach unten.
Am Auto greift der Mann sich ans Herz, fällt um.
Die Frau schreit. Es dauert, bis Sanitäter kommen.
Zu spät. Plötzlicher Herztod.

Sie bleibt zurück. Sie, die er immer beherrscht hat.
Mundtot gemacht. Sie, die selbst schwer erkrankt ist.
An Mundbodenkrebs. Ein Zufall?
Bald ist ihr letzter Abend daheim. Sie packt.
Eine schwere Operation erwartet sie.
Sie wird danach nicht mehr sprechen können. Nicht normal essen.
An diesem Abend nimmt sie Abschied.
Vom Haus. Den Pflanzen im Garten. Ihrem Leben.
Die Kinder verfrachten sie nach der Klinik in ein Heim.
Privat geführt. In einem Dorf weit entfernt. Das keiner kennt.
Aber billig soll es dort sein! Ihr Haus steht zum Verkauf.

Da ist noch die Frau von schräg gegenüber.
Läuft schlecht, seit einiger Zeit. Eine Hüft-OP wird angeraten.
In gleicher Klinik wie oben. Sie traut sich, alles sei problemlos.
Was auch so ist! Ehemann und echt liebevolle Kinder strahlen.
Lauftraining zur Mobilisierung. Sturz. Oberschenkelhalsbruch.
Neue Operation. Diese übersteht die Frau nicht mehr...

Im Reihenhaus daneben kämpfte der Nachbar um sein Leben.
Firmeninhaber, viel zu jung für seine Erkrankung.
Er verkauft alles, es kommt zur Scheidung. War er da schon krank?
In der Woche kommt ein Pflegedienst. Montags bis freitags.
Am Freitag beginnt sein Sterben. Vor dem Bett. Und es dauert drei Tage.
Am Montag wird er tot aufgefunden.

Gegenüber zur linken Seite stirbt die ältere Frau mit dem Hund.
Und ihr Nachbar mit dem blauen Auto, der immer so nett war.
Die Frau vom Eckhaus verabschiedet sich fast unbemerkt.

Dann ist da noch Frank, 55. Der immer so laut ist. Und lustig.
Einer, der stets einen kessen Spruch auf den Lippen hat.
Und 'ne bunte Bermuda an. Der Schuljungs hat, in Gothic-Klamotten.
Gerne schnell Auto fährt und hilft, wenn man ihn braucht.
Er bringt uns 'nen "Steiger" für den Schornstein. Wir lachen zusammen.
Ende November muss er ins Krankenhaus. Wundrose.
Er wird behandelt, seine Frau fährt los, denn die Entlassung steht an.
Als sie ankommt ist er tot, nur seine Reisetasche steht da.
Embolie. Vermutet man. Er ist schon fort zur Autopsie in Oldenburg.

So ungeheuer viel Leid. So viele Menschen voller Schmerz.
Wer sollte hier Lust auf "Ballerei" haben?
In der Welt herrschen entsetzliche Kriege.
Bilder von Überschwemmungen machen stumm.

Ich sitze allein im fremden Wohnzimmer.
Draußen ist es dunkel. Die Laterne längst ausgeschaltet.
Die Stille, das ewige Schweigen. Das ist das Schlimmste.
Und die Einsamkeit. Das Gefühl verloren zu sein.

Zum ersten Mal bin ich mit Schmerzen in ein neues Jahr gegangen.
Aber dem Krankenhaus (siehe oben) verweigere ich mich.
Es verwundert sicher niemanden...






Rea Garvey höre ich gern...