Am heutigen Morgen wache ich wie so oft nachdenklich auf.

Was tue ich hier, in dieser winzigen Dachstube mit der mächtigen Schräge?

In dem schmalen, gebraucht gekauften Jugendzimmerbett, das gerade so in die Ecke passt.

Mit dem Blick auf meine Kleidung, die in Stapeln auf dem Boden Platz gefunden hat.

Neben den Büchern, die mir durch die einsamen Tage und Nächte helfen.

Wenn ich jetzt nur das hier hätte, was in meinen Rucksack passte, was würde ich dann tun?

Die Antwort stimmt mich noch trauriger. Schnell wäre gepackt und losgegangen...


Aber so viele meiner Sachen sind hier in der Fremde, um mein Haus für den Verkauf zur räumen.

Ich könnte nicht einfach so gehen, mit fast nichts, ins nichts. Es ängstigte mich mehr, als zu bleiben...


Was ist nur aus mir geworden, seit jenem verhängnisvollen 25.Mai 2015?

Warum wandere ich nicht mehr durch die Welt wie vorher?




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In unserer Nachbarschaft lebte lange eine alte Nachbarin. 

Vor fünf Jahren zog sie nach Saloniki, sie hatte hier niemanden mehr. 

Alle ihre Kinder waren längst nach Griechenland fortgezogen und arbeiteten dort. 

Sie war nun alt geworden. Schießlich gab sie ihren Widerstand auf, erhörte die Bitten ihrer Angehörigen und sagte: "Dann sterbe ich zwar fern der Heimat, aber bei meinen Kindern".
Als sie auszog, besuchten alle Nachbarn sie, auch ich. 

Die arme Frau, traurig schlurfte sie durch ihre Wohnung, 

berührte noch einmal Blumentöpfe, Stühle, Spiegel, Konsole, beinahe alles, was noch da war,

 und weinte tonlos, als ließe sie einen Teil von sich zurück.
"Sie gehen doch zu ihren Kindern, grämen Sie sich nicht so", sagte ich. 

Da gab sie zur Antwort: "Ich gräme mich gar nicht um meinetwillen, 

ich bin wegen der Dinge hier traurig. Was werden sie wohl ohne mich tun?"
" Aber die haben kein Eigenleben", widersprach ich. "Die fühlen nichts!"
"Die fühlen nichts?" Empört baute sie sich vor mir auf. 

"Das glaubst du! Aber diese Dinge haben von meinem Kummer viel mehr ertragen als die meisten, 

die mir nahestehen und sich für Menschen halten. 

Diese Dinge sind treuer als meine Kinder, wie könnten sie gefühllos sein? 

Hörst du nicht, wie sie weinen, weil ich fortgehe?"
Sie war fest davon überzeugt und ich ließ sie bei den Dingen, 

mit denen sie ihr Leben verbracht hatte, und nahm mich zurück.
Denn wie gut konnte ich sie verstehen!


Buchtext aus: "Die Gärten von Istanbul"Autor: Ahmet Ümit








Nur meine Seele vermag immer noch zu fliegen, wie damals, als Kind...