und umgekehrt...

 

Der Winter kam mir ewig vor. Sechs Monate in einem einzigen Zimmer in Einzelhaft, das sind schon arg verschärfte Bedingungen. Und 8° im Raum empfand ich als kalt, auch wenn es (noch) schlimmer hätte kommen können. Also vormittags lange im Bett und am Abend früh dahin zurück. Mit eisekalten Händen kann man nicht viel machen, irgendwann möchte man es auch nicht mehr. Dunkelheit und Kälte schlagen auf's Gemüt. Dann wünscht man sich nur noch, dass die Zeit überstanden sein möge. Dass das Licht zu- rückkehrt, mit ihm die Sonne. Und das Leben...

Als es soweit war, da wurde ich krank. Am Vorabend hörte ich noch die Jubelankündigungen vom bisher wärmsten Tag des Jahres. Aber da fühlte ich mich schon nicht gut. Ahnte vielleicht, was kommen würde. Es entwickelte sich in den kommenden Tagen so schlimm, dass ich eine Art Panik bekam. Was wäre wenn? Ich tot hier im Haus liege und niemand davon etwas bemerkt? Skurrilerweise gab es diese Situation hier ja schon mit der Besitzerin vor mir. Im gleichen Zimmer, in dem auch ich schlafe und in dem ich jetzt am PC sitze. Das hat mich zwar nie erschreckt, aber es gibt zu denken. Und so zurückgezogen wie ich lebe, sind meine Gedanken zu einem ähnlichen Geschehnis nicht unbegründet...

Zum allerersten Mal überhaupt habe ich daran gedacht den Notarzt anzurufen. Bis zum Telefon im Flur hät- te ich es an der Wand lang irgendwie geschafft. Aber nicht die Treppen hinunter, um Haus- und Windfang- tür zu öffnen. So geschah also nichts. Als es ausgestanden war, machte sich ungeheure Erleichterung in mir breit. Ein tiefes Gefühl von Dankbarkeit. Alles war gut. Ich würde viel schlafen, mich ausruhen, in die Son- ne gehen, mir etwas Obst kaufen. Doch dann kam alles zurück. In unverminderter Härte und Stärke. Mir wurde mehr denn je klar, dass sich meine Lage dringend ändern muss. 

Lieber Edward, Du gebrauchst ab und zu den Spruch: "Es muss sich alles ändern, damit es bleibt, wie es ist!" Diesen Satz fand ich sofort cool, weil darin viel Wahrheit liegt. Doch für mich passt er nicht mehr. "Es muss sich alles ändern, damit nichts bleibt wie es jetzt ist", so muss er für mich lauten. Der Hinweis war allzu deutlich. Und schon lange ist mein Wahlspruch: "Tue es jetzt, denn Du weißt nicht, wie lange Du noch fähig dazu bist!"

Mein Haus muss weg und ein billiges anderes her. Das ist nicht neu. Und ebensowenig, dass solche Objekte die nicht baufällig sind und zum Preis eines VW Golf angeboten werden, nicht in Massen auf dem Markt sind. Seit dem besichtigten "Turmhaus" in der Heide war tote Hose. Es tat sich einfach nichts. Ich habe ständig alle Immo - Portalseiten geöffnet, scanne den Markt stündlich. Lauben und Wochenhäuser werden jetzt zu abertausenden angeboten. Logo. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Aber ein Wochenendhaus auf Pachtgrundstück mit horrenden Nebenkosten nützt mir nichts. Eine Eigen-tumswohnung mit hohem Hausgeld nützt mir nichts. Eine Mietwohnung gäbe mir niemand, denn ich könn- te sie nicht bezahlen. Das hatten wir alles schon. Das gesuchte alte Häuschen bekäme ich für 50 € Hypo- thekenkosten im Monat, so sieht es zur Zeit aus, durch die Zinsentwicklung. Und sobald mein Haus ver- kauft wäre, könnte ich die Hypotheken sofort ablösen, wäre schuldenfrei und lebte von der Differenz der beiden Objekte.

Ich könnte mir endlich mal etwas leisten. Ganz bescheiden natürlich. Haare schneiden z.B. und Heizung im Winter (ich seh' zur Zeit immer noch aus, wie die Schwester vom Yeti), Wochenendausflüge, heiß duschen, Eis essen, mit Fynn etwas unternehmen. Kein Luxus. Nur Leben. Obst und Gemüse essen, Material kaufen für die Werkstatt. Kleine große Freuden. Und da wäre auch noch Porto. Seit ich Fynn davon erzählt habe, ist er begeistert davon, auch vom superschönen Hostel für 13 € mit Frühstück. Ich werde ihn dazu einla- den, wenn alles überstanden ist, das habe ich mir ganz fest vorgenommen. Familienzeit. Unendlich kostbar. Was könnte wichtiger sein?!

Endlich ein Angebot. Es ist das, was ich suche. Aber weit fort vom Meer. Man kann nicht alles haben, das weiß man in meinem Alter. Auch wenn es schmerzt, ab und zu. Ich KANN hier nicht mehr bleiben, die Zeit ist da, sich zu trennen. So erforsche ich alles zum Objekt, zur Stadt und überhaupt. Entscheide, mir das kleine alte Häuschen anzuschauen. Erst 150 Jahre alt, geradezu jung, im Vergleich zum jetzigen Heim. Aber arbeitstechnisch ginge es da wieder los, wo ich hier auch angefangen habe. Nur war ich damals 25 J.  jünger und nicht allein. Doch es muss nichts fertig sein. Ich werde meine Sachen übereinander stapeln und einen einzigen Raum bewohnbar machen. Den:

(Was für ein Ausblick auf Innenhof und Altstadt...)

 

Fegen (Besen wartet schon) , Fenster putzen, Steckdose einrichten, Stehlampe einstöpseln.

Ich mache den Besichtigungstermin aus. Freue mich. Doch es kommt ganz anders...