Mein Haus ist alt. Uralt. Baujahr 1565.

Niederländische Religionsflüchtlinge haben es

als Kaufmannshaus im Stil der Zeit erbaut.

Wie oft mögen seine Besitzer gewechselt haben?

Viele Kriege hat es überstanden. Epidemien.

Generationen von Menschen. In ihm geboren. Gestorben.

Es ist ein Zeitzeuge - welche Geschichten kennt es...

Es gab Momente, da war es mir unendlich vertraut.

In anderen da fürchtete ich mich.

Aber immer haben seine Mauern mich beschützt.

Hat es auf sich aufgepasst, obwohl ich es verlassen hatte...

Oder war ER es, den ich manchmal nachts sah?

In seiner altmodischen Kleidung, 

auf dem Speicher am Kamin lehnend,

als warte er auf etwas.


Nein, ich glaube nicht an Gespenster.

Aber an Seelen.

Beruflich bedingt sah ich viele Menschen sterben.

Begleitete sie auf dem letzten Stück ihres Weges.

Entzündete eine Kerze, wenn es vollbracht war.

War immer wieder erstaunt über die Veränderung.

Im Raum. In der Stimmung. In der Gestalt.

Etwas war anders. Fort. Das nie wiederkehren würde.

Ich öffnete ein Fenster. Damit die Seele gehen konnte.


Da ist etwas, das niemand bestreiten kann.

Anderes ist Spekulation. Glaube. Zweifel.



Heute kam ich nach längerer Abwesenheit nach Hause.

Irgendetwas war nicht wie sonst.

Ich fühlte eine seltsame Beklommenheit. Oder Ahnung.

Es war das Gefühl, dass jemand da gewesen sei.

Erklären kann ich es nicht. Beweisen schon gar nicht.


Es gibt eine Art Windfang, dann die hohe Halle.

Ich zwang mich die Treppen zur Halbetage hinauf.

Verwüstung. Allüberall. Regale auf den Boden entleert.

Eimer (vom renovieren) umgeworfen. Anderes.

Das gleiche Bild in der ersten Etage.

Sachen fehlen, die niemand stehlen würde.

Es sei denn als Statement. Ich kann, ich will, ich werde.


Mein Herz schlug im Hals.

Ich konnte es einfach nicht fassen. Einordnen.

Nur die Fenster der oberen Etage waren auf Kipp geöffnet.

Die Haustür verschlossen.

ES KONNTE niemand im Haus gewesen sein.

Und war es offenbar doch...


Lange ging ich wie betäubt durch die Stadt.

Gefüllt mit Touristen, Booten, Wohnmobilen.

Es ist Urlaubszeit. Normal. Aber immer noch erstaunlich.

Ganze Gesichter, ohne Masken.

Menschen in Cafes, auf den Hafenbooten.

Volle Geschäfte, Bänke. Trotz Kühle und Windböen.

Die bliesen mir den Kopf frei, aber minderten nicht den Schock.

Ich bebte, fror. Ging wie durch Watte.

Musste zurückkehren.

War es doch ein Mensch? Aber wie?

Waren es Tiere? Welche? Aber stahlen sie?

Alles unlogisch. Albern. Wirklichkeitsfremd.

Und Gespenster? Noch viel mehr.



Aber wer - was - hat da gewütet??

Es gibt keine fassbare Erklärung und ich fürchte mich.

In meinem eigenem Schneckenhaus, meinem Heim...



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"Jeder, der seinen Verstand intakt zu halten trachtet, braucht einen Ort, 

an dem er sich verlieren kann und will. Dieser Ort, das letzte Refugium, 

ist ein kleines Anhängsel der Seele, wo man, wenn die Welt in ihrer 

absurden Komödie Schiffbruch erleidet, immer hinlaufen, 

sich einschließen und den Schlüssel verlieren kann."

Carlos Ruiz Zafon

- Das Labyrinth der Lichter -