Wir kommen ans Ende meiner Straße und mein Begleiter schwenkt  nach rechts, in Richtung City, ich gehe geradeaus weiter, über die Straße, denn zur Stadt laufe ich viel lieber um den Delft herum, am Yachthafen vorbei. Peter schließt sich an - was bleibt ihm auch übrig... Laufen ist nicht so seine Welt. Zweiter Minus- punkt. Der erste: Kettenraucher. Das geht gar nicht. Eigentlich... Aber einen Kaffee lang werde ich sicher beides überleben.

Die Reihe der Wohnmobile ist fest geschlossen, da ist kein einziger Platz frei. Wäre auch unverständlich bei diesem herrlichen Wetter mit Blick auf's Wasser. Mein Blick sucht automatisch nach nackten medizinballgro- ßen Altmännerbäuchen, die ungefragt nackt zur Schau gestellt werden, während der körperliche Rest einer verschrumpelten Dörrpflaume gleicht. Fast unbekleidete Frauen habe ich dort übrigens noch nie sitzen se- hen, aber alte Männer scheinen Hemmungen dieser Art nicht zu haben.

Irgendwie mache ich eine Bemerkung in dieser Richtung. Mein Begleiter erklärt leicht konsterniert, dass er auch 98 kg wiegt. Fügt an, dass er allerdings 32 kg im Laufe des letzten halben Jahres abgespeckt hat. Sein Glück. Natürlich nur aus gesundheitlicher Sicht. Ich will ihn nicht heiraten. Ich will überhaupt gar nichts von und mit ihm. Er soll mir nur noch die zugesagten Abdeckleisten anbringen. Irgendwie ist er nun schweigsamer als zuvor und hält die Luft an, wenn ich in seine Richtung schaue. Hätt' ich bloß nichts ge- sagt! Aber jetzt ist es zu spät...

Um das Thema zu wechseln sage ich sowas wie: "Wie kann man es sich antun, sich bei über 40° Außen-temperatur freiwillig in einen solchen Backofen zu setzen, um fernzusehen, wie daheim auch und dafür noch Geld zu bezahlen? Boah, diese Enge, ringsum noch Hundegekläffe (klar, die armen Hunde der Wohn- mobilisten finden die Situation sicher auch nicht toll). Was macht man den ganzen Tag auf sechs vollge- packten Quadratmetern?" Schweigen im Walde. War wohl irgendwie auch daneben. Scheint heute mein ab- soluter Themen-Glückstag zu sein... Also Themenwechsel auf Schiffe. Läuft. Er redet wieder.

Im Eiscafe am Markt ist Platz. Ich bekomme einen Eisbecher, Peter einen Kaffee. Tut mir leid, hätte ich nur nichts gesagt! Meinetwegen könnte er das doppelte wiegen. Erstens ist er fast zwei Meter groß und zwei- tens ein Handwerker, der mir was eingebaut hat. Hauptsache, er kann sich bei der Arbeit rühren. Wie hast Du das mal genannt, Regi? In Österreich heißt es "g'spürdeppert" (oder so ähnlich). Bin ich wohl in der Si- tuation. Ich merke nix. Jedenfalls ahne ich nicht, was auf mich zu kommen könnte.

Peter schaut mich nicht an, sondern irgendwo auf einen Punkt der in der Ferne liegt. Dann erklärt er, seine Lebensgefährtin zöge aus dem Haus aus. Sicher traurig für ihn. "Wie lange seid Ihr denn zusammen gewe- sen?" Zehn Jahre. Wegen ihr ist er aus Soltau weggegangen (wo ich mir gerade in der Nähe ein Haus an- schauen möchte, endlich stand mal wieder eines drin!). Um ihn aufzumuntern frage ich ihn nach Stadt und Gegend. "Warum willst Du wegziehen?" Er schaut mich entsetzt an. Wieder daneben, Superbingo!

Ich befürchte, dass er mich gleich fragen wird, ob wir nicht mal irgendwann essen gehen können. Der will sich sicher trösten. Und um nicht wieder in irgendwas reinzugeraten entscheide ich im Vorfeld, nur (ich be- tone nur!) auf mein Gefühl zu hören und den Verstand für 1-2 Sekunden nach hinten zu schieben. Da kä- me er für meine Antwort zu spät. Eine Frage kommt auch. Aber sie lautet: "Ich habe auch ein Wohnmobil und weiß einen schönen Platz am Meer. Hättest Du Lust da mit mir hinzufahren von Freitagmittag bis Sonn- tag?" Ich antworte mit: "Ja!" Und erschrecke direkt danach, als mir die Konsequenzen klar werden. Ich mit einem mir fremden Mann gemeinsam in einer Ölsardinenbüchse? Bei über 40°? Auf Klapp-Notbetten mit meiner massiven Schlafstörung? Und wenn ich Migräne bekomme? Und wenn? Und wenn... Zu spät.

Den Rest der Zeit über habe ich mein Helmvisier nach unten geklappt, sowie Schild und Schwert gezogen. Kategorisch und unverrückbar rede ich von Freundschaft. Wenn überhaupt. Kumpel sein fände ich besser. Findet er okay. Was soll er auch sagen? Ich könnte aufstehen und weggehen. Noch bin ich in meiner Stadt. Er findet scheinbar alles okay, was ich mir vorstelle. Nun ja, so fängt es immer an. Um die Frau erst einmal einzulullen. In meinem Alter weiß man das. Und auch, wie man sich wehrt. Er wird mich in keiner Form zu etwas drängen. Nö, ist klar. Mann verschleppt Frau in enges Wohnmobil und löst mit ihr nur Kreuzworträt- sel in alten Illustrierten aus dem mobilen Klappenschrank. Oder führt seine Briefmarkensammlung vor...

Natürlich bereue ich meine Zusage binnen Minuten. Obwohl ich das selbst albern finde. Will ich wirklich lieber in meiner stickigen Bude sitzen und schwitzen, statt am Strand zu liegen? Der Verstand wird nieder-gerungen und bei ALDI ein Sommerschlafanzug ergattert. 4.99€ die sich hoffentlich lohnen. Ein Ganzkör-perkondom wär' mir freilich lieber als Schutzschild. Geht aber nicht, bei der Bullenhitze. Also Kompromiss. Außerdem kann man (Frau) ja schließlich auch den Mund aufmachen. Und deutlich sagen, was sie nicht will. Daran erinnern wie es vorher abgesprochen war. 

 

Ich finde ihn nett. Mehr nicht. Und ein kluger Mann weiß was das bedeutet.

Aber er ist nicht klug, sondern ein boden- und selbständiger Handwerker.

Schade, dass alles war, wie es war, es wirkt bis heute nach. Keine Kollateralschäden mehr!

In seinen Augen sehe ich, dass er ganz anders denkt (fühlt?), als er redet. Ich aber nicht...