Im Herbst 1976 saß ich an einem Kinderbett.

Schaute einem kleinen Wesen zu, wie es schlief, es war mein ein und alles.

In dieser Nacht hatte ich eine schwere Entscheidung zu treffen.

Die unsere ganze Zukunft verändern würde. So oder so.

Mein Herz entschied, nicht der Verstand...

 

Im Mai 2007 schaute ich einem Mann zu, wie er schlief.

Er war meine große Liebe.

In dieser Nacht zählte ich jede Minute.

Denn am Morgen würden wir uns trennen. Für immer.

Mein Verstand hatte es entschieden, nicht das Herz...

 

Im Mai 2015 schaute ich meinem Sohn zu,

wie er auf meinem Sofa ausgestreckt schlief.

Ein unerwarteter Geburtstagsbesuch, eine große Freude für mich.

Doch am Morgen zerbrach, was eben noch mein Glück gewesen war.

Und mit ihm mein Herz...

 

Jahre brauchte es, um zu akzeptieren. Zu verstehen.

Ein Schock wird mit der Zeit kleiner, aber er verschwindet nicht.

Die Träume wiederholen die Szenen. Die Tage die Worte.

Aber Hoffnung bleibt. Dass eines Tages sich alles erklärt. Irgendwie.

So sagt es der Verstand immer wieder...

 

Eine Nachricht stellt alles auf den Kopf. Es ist die Illusion des Augenblicks.

Was jetzt? Wie entscheiden? Mit Mut Schluchten überspringen?

Aber, was wäre wenn alles wieder aufbräche, ganz genauso endete?

Meine Nachricht stellt Fragen. Besorgt. Kann ich vertrauen?

Mein Verstand hat mir dazu geraten. Mit bang klopfendem Herzen...

 

Die Antwort zeigt, dass alle Sorge berechtigt war. Jeder Vorbehalt.

G.O. sagte einst: „Wenn du dich entscheiden müsstest,

so würde es immer zuerst mit dem Verstand sein. Dem Herzen an 2. Stelle.

Du bist erwachsen, ich bin nur ein unreifer Junge!“ Es war wohl so.

Mein Verstand entschied, das Herz weinte. Alles richtig und doch nichts...

 

Neue Jahre wird es nun brauchen. Abstand zu gewinnen. Zu verstehen.

Habe ich sie noch, will ich sie noch? Wird sich dadurch irgendwas (ver)ändern?

 

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Allen Bewegungen einer Mutter liegt ein Seufzer zugrunde. Immer.

Und niemand, der ihn hört. Nicht einmal jene, die ihn ausstößt.

Mütter wissen mit der Zeit selbst nicht mehr, dass er in ihrem Herzen wohnt.

Eine Zeit der Leere ist erforderlich, sich dessen bewusst zu werden.

 

Aus: DAS GESICHT DER NEUEN TAGE

Jeanne Benameur

 

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Nichts ist wie es war.

Nichts wird sein wie es war.

Sagt der Verstand.

Doch wieder weint das Herz.